Veranstaltungen 2008  
 
 
 
 
 
 
 
   
   
   
   
   
   
Jedes Jahr werden zur Frankfurter Buchmesse tonnenweise Papier bedruckt. Wir wollen linken AutorInnen und Verlagen ein Forum für kritische Gedanken bieten  
 

17 Lange Nacht der Bücher 1

Freitag, 17. Oktober 2008, offen ab 19 Uhr
mit Literaturkneipe und lecker Buffet für den kleinen Geldbeutel
Café ExZess, Leipzigerstrasse 91, Frankfurt (Bockenheim)
VeranstalterInnen: Gruppe P.A.C.K.

17/1 und 17/2
19.30–21 Uhr
2 Neuerscheinungen aus der Baskischen Reihe Zubiak (Brücke):
Die deutschen Texte liest die Übersetzerin Petra Elser
Veranstaltet von: Pahl Rugenstein Verlag und Bost_Kultura.

17/1
Domingos letzte Wette – Roman
Es liest der Autor Anjel Lertxundi

Übersetzung aus dem Baskischen: Hans-Joachim Wilke

Pahl Rugenstein Verlag 2008

Als Martzelina ins Dorf kommt, schlagen ihr Häme und Misstrauen entgegen. Man hält die junge Frau für »leicht zu haben«, weshalb sie von den Frauen gemieden und von den Männern bedrängt wird. Schließlich heiratet sie Domingo, der lieblos und grob ist, und verliert unter seinen Schlägen das gemeinsame Kind. Immer öfter riskiert Domingo sein Leben bei waghalsigen Mut- und Härteproben – bis eines nachts eine Wette eskaliert…

Anjel Lertxundi ließ sich von einer wahren Begebenheit zu dieser Geschichte inspirieren. Er bricht mit dem Klischee dörflicher Idylle und beschreibt mit beklemmender Intensität ein Milieu, das Grausamkeit billigt, fordert und gedeihen lässt. Zeugen und Akteure bringen die verhängnisvollen Verstrikkungen ans Licht, aus ihren Erinnerungen fügt sich nach und nach die Geschichte zusammen. Der Kurzroman gilt als ein Klassiker baskischer Literatur und brachte es 1985 als eine der ersten baskischen Literaturverfilmungen auf die Leinwand.

Anjel Lertxundi, Jahrgang 1948, erhielt als Autor mehrere Preise, arbeitet zudem als Dozent und Journalist und ist Mitbegründer des Baskischen Schriftstellerverbandes EIE. Er befasst sich mit der Neuschöpfung baskischer Worte, zum Beispiel für Begriffe aus der Welt des Internets.

17/2
Rock‘n‘Roll – Roman
Es liest der Autor Aingeru Epaltza

Übersetzung aus dem Baskischen: Petra Elser

Pahl Rugenstein Verlag 2008

Rock’n’Roll: Ein ungewöhnlicher Titel für einen Roman, in dem kein einziger Musiker auftritt. Stattdessen begegnen wir Edu, einem reichlich alkoholisierten Journalisten, in seiner Zeitungsredaktion das ewige Mädchen-für-alles. Und Edus alten Schulfreunden: Narbengesicht, heute gutbürgerlich etabliert, der Kurze, der sich mit dem Sammeln von Informationen beschäftigt, und Charly, der seine Tage weiter mit Joints, Frauen und Motorrädern verbringt. Das alte Lou-Reed-Stück »Rock’n’roll« ist für alle ein Symbol – für die Rebellion in ihrer Jugend und die Solidarität, die sie auch heute noch verbindet… das ist zumindest das, was Edu glaubt.

ROCK’N’ROLL: Zwei Wochen im August 1999 im baskischen Iruña, auch wenn der Name der Stadt nicht fällt; das Verschwinden der Leiche einer alten Frau, ein abgeschnittener Finger, die Recherchen eines frustrierten Journalisten, viele Verdächtige, doch kein Licht im Dunkel – bis einer der Freunde ermordet wird…

Aingeru Epaltza wurde 1960 in Iruña geboren. Der Journalist arbeitete viele Jahre bei verschiedenen Medien und ist heute Übersetzer bei der Landesregierung von Navarra. Seit er 1984 seine literarische Laufbahn begann, gilt er als einer der Vorreiter der modernen Baskischen Literatur in Navarra. Er ist vor allem als Romanautor bekannt, 1997 erhielt er für den Roman »Tigre ehizean« (Die Jagd auf denTiger) den baskischen Literaturpreis.


ab 21 Uhr:

17/3
Nachbeben
Lesung und Foto`s zur aktuellen Situation in Chile
mit dem Autor und Fotograph Boris Schöppner
Trotzdem Verlag 2007

Chile zwischen Pinochet und Zukunft, Reportagen und Interviews, Trotzdem Verlag 2007

1988, vor zwanzig Jahren also, fokussierte sich die politische Auseinandersetzung in Chile auf die Volksabstimmung. Pinochet, ja oder nein? Es ist bekannt, dass die Mehrheit der Chilenen und Chileninnen den Diktator aus dem Amt jagten, dass das Plebiszit den Weg frei machte zur so genannten „transición“, dem Übergang zur Demokratie. Der Journalist Boris Schöppner ist für sein Buch „Nachbeben – Chile zwischen Pinochet und Zukunft“ der Frage nachgegangen, was aus jenen Menschen geworden ist, die in den 70er und 80er Jahren Widerstand geleistet haben, beim politischen Prozess des „paktierten Übergangs“ aber nicht vertreten waren. Denn die neue politische Klasse hatte sich mit den einstigen Machthabern verständigt, einen sanften Systemwechsel zu vollziehen. Die Versprechen, mit denen die Parteien beim Plebiszit warben, wie Aufarbeitung der Vergangenheit, Ende des Neoliberalismus und mehr soziale Gerechtigkeit wurden bis heute zu einem großen Teil nicht erfüllt. Die Kämpfer von einst reagierten lange Zeit mit Rückzug und Resignation. In den vergangenen Jahren haben sich neue und nicht ganz so neue Proteste Bahn gebrochen. Schülerstreiks rüttelten 2006 das Land wach, denn das Erziehungssystem – ein Erbe der Militärdiktatur – verspricht den Bildungsunternehmern zwar satte Gewinne, doch zukunftstauglich ist es nicht. Immer wieder gelangt der Konflikt mit den Mapuche, den Ureinwohner des Landes, und der Regierung beziehungsweise der Holzunternehmen in die nationalen Nachrichten. International ist das Interesse am Widerstand der Mapuche gegen den Raubbau am Regenwald und die Zerstörung ihrer Kultur jedoch recht gering. Im vergangenen Jahr wurden aus den Kupferminen Chiles von Streiks und Sabotageaktionen berichtet. Auch mit den Leiharbeitern der Kupferminen und den Aktivisten der Mapuche-Bewegung hat der Journalist gesprochen. Entstanden ist ein kompaktes ausgesprochen lesenswertes Buch, das zahlreiche eindrucksvolle Fotografien enthält, die ebenfalls vom Autor stammen.

www.borisschoeppner.de


17/4
Kleine geile Firmen
Alternativprojekte zwischen Revolte und Management«.
Buchvorstellung mit dem Autor Arndt Neumann

Edition Nautilus 2008

Wer in den 70er Jahren für »Autonomie« eintrat, wollte nicht länger durch Vorgesetzte bevormundet werden. Heute fordern neoliberale Manager ihrerseits Autonomie und selbstbestimmtes Arbeiten von ihren Untergebenen ein. War die Alternativbewegung ein Wegbereiter des Neoliberalismus?

In diesem Text geht der Autor den Zusammenhängen nach. »Wir leben anders! Wir arbeiten mehr als je zuvor, schaffen bis zu 14 Stunden am Tag, und die Arbeit macht uns bei weitem nicht so kaputt wie die ›nur‹ acht Stunden vorher im Betrieb. Das liegt ganz eindeutig daran, dass uns der Sinn der Arbeit klar ist, dass die weit weniger entfremdet ist.« 1976 veröffentlicht die Arbeiterselbsthilfe Frankfurt dieses Selbstverständnis. Wie viele andere Alternativprojekte dieser Zeit sah sie im selbstbestimmten und kollektiven Arbeiten einen Gegenentwurf zu der Unterordnung in Fabriken und Büros. Ob Landkommunen oder Druckereikollektive, Naturkostläden oder Alternativzeitungen: Durch alltägliche Veränderung sollte die kapitalistische Gesellschaft überwunden werden.

»Wir leben anders!…« 2001 stellt der Trendforscher Matthias Horx das gleiche Zitat dem Managementbuch Smart Capitalism. Das Ende der Ausbeutung voran. Mit der New Economy habe sich eine neue Form des Arbeitens durchgesetzt. Autonomie und unternehmerisches Denken seien kein Widerspruch mehr. Innerhalb von wenigen Jahrzehnten hat sich die Bedeutung von Autonomie grundlegend gewandelt. Sind die Erfahrungen der Alternativbewegung auch heute noch ein unverzichtbarer Bestandteil emanzipatorischer Bestrebungen? Was bedeutet es heute, für autonomes und selbstbestimmtes Arbeiten einzutreten? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des Buches.

Arndt Neumann, Jahrgang 1978, arbeitet über soziale Auseinandersetzungen in der Bundesrepublik der 60er und 70er Jahre.Neben seiner Arbeit als Historiker beschäftigt er sich als Aktivist bei Euromayday Hamburg mit prekären Arbeits- und Lebensbedingungen.


17/5
Experiment Kosovo
Die Rückkehr des Kolonialismus
Mit dem Autor und Verleger Hannes Hofbauer

Promedia Verlag / Edition Brennpunkt Osteuropa

Am 17. Februar 2008 hat das Parlament in Prishtine die Unabhängigkeit des Kosovo ausgerufen. Der 47. Staat in Europa spaltet damit nicht nur Serbien, sondern auch die internationale Gemeinschaft. Die Gegner der Sezession berufen sich auf das Völkerrecht, die KSZE-Akte von Helsinki und die UN-Resolution 1244 aus dem Jahr 1999, die eine territoriale Integrität Jugoslawiens garantiert hatte. Die Befürworter der Unabhängigkeit argumentieren mit von Serbien verletzten Menschenrechten gegen die kosovarische Mehrheitsbevölkerung vor dem NATO-Angriff und dem Recht des Stärkeren danach. Als Präzedenzfall einer einseitig deklarierten Grenzverschiebung setzt die Entwicklung im Kosovo einen völkerrechtlichen und politischen Schlussstrich unter die europäische Nachkriegsentwicklung.

Kosovo startet als „gescheiterter Staat“ in eine neue Epoche. Die Kernelemente seiner Wirtschaft funktionieren nicht, sozialer Aufstieg spielt sich zwischen Schwarzmarkt und Massenemigration ab und seine politische Elite folgt äußerem Druck. Dies in Rechnung stellend war von Seiten Washingtons und Brüssels niemals an eine echte Selbstbestimmung gedacht. Der von der UNO verworfene und gleichwohl von den USA und der EU in Kraft gesetzte Ahtisaari-Plan schreibt eine überwachte Unabhängigkeit vor, die sowohl Legislative als auch Exekutive in fremde Hände legt. Militärisch herrscht die von den USA geführte KFOR-Truppe, zivil wird das Land mittels allerlei Kürzeln von der Europäischen Union verwaltet.

Der Übergang vom UN-Protektorat zur EU-Kolonie passiert schleichend. Eine „Koalition der Willigen“ abseits der UNO bestimmt über das Schicksal des kleinen, knapp zwei Millionen EinwohnerInnen zählenden Landes. Von der Rechtsprechung über politische Verwaltung bis zur polizeilichen und militärischen Exekutive öffnet sich ein weites Experimentierfeld für hauptsächlich westeuropäische und nordamerikanische Institutionen. Gesellschaftliche Abläufe jenseits bürgerlicher Gewaltenteilung und demokratischer Selbstbestimmung können nach erfolgreichen Probeläufen im Kosovo später anderswo, nötigenfalls auch in Kerneuropa, Platz greifen.

Zum besseren Verständnis der aktuellen Situation zeichnet Hannes Hofbauer die Geschichte des Kosovo von der 500 Jahre dauernden osmanischen Fremdherrschaft über die verschiedenen Befreiungsansätze bis zur serbisch-nationalen Epoche im 20. Jahrhundert nach. Der Eingliederung des Kosovo in das titoistische Jugoslawien sowie dessen katastrophales, von Bürgerkriegen gezeichnetes Ende wird im Buch ebenso behandelt wie die hinter der kosovarischen Unabhängigkeitsbestrebung stehende „albanische Frage“.

Der Autor: Hannes Hofbauer, Jahrgang 1955, hat Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien studiert. Er arbeitet als Journalist und Publizist. Seit 1989 bereist er die Länder Osteuropas. Zuletzt ist von ihm im Promedia Verlag der Titel “EU-Osterweiterung. Historische Basis – ökonomische Triebkräfte – soziale Folgen“ (Wien 2007) erschienen. Sein Buch „Balkankrieg. Zehn Jahre Zerstörung Jugoslawiens“ erlebte mehrere Auflagen.


17/6
Naturschutz und Profit
Menschen zwischen Vertreibung und Naturzerstörung.
Mit dem Autor Klaus Pedersen
(BUKO, biopiraterie-kampagen, chiapas soli…)

Unrast Verlag 2008

»Naturschutz« hat einen guten Klang, aber er ist Feigenblatt und Konzession an bestimmte Interessengruppen – der Versuch, die vom globalen kapitalistischen Raubbau erzeugte Naturzerstörung abzupuffern, weil Pharma- und Biotech-Industrie bei der Inwertsetzung der schrumpfenden Biodiversität nicht hinterher kommen. Allein in Afrika wurden im Namen des Naturschutzes 10-15 Millionen Menschen vertrieben. In den Ländern des Südens werden massive Menschrechtsverletzungen begangen, um die biologische Vielfalt zu schützen. Ein beträchtlicher Teil der Weltbevölkerung befindet sich in der Zange zwischen »Naturschutz« und profitgetriebener Naturzerstörung. Das Buch geht auf die kolonialen Wurzeln des Naturschutzgedankens ein und beleuchtet die sozialen Folgen für die lokale Bevölkerung, die heute nicht anders sind als im 19. Jahrhundert, als der Yellowstone Nationalpark geräumt wurde.

Im zweiten Teil des Buches werden die Gewinner des Naturschutzes betrachtet. Es geht um Bioprospektion, Baumplantagen, Emissionshandel, »Bio«-Kraftstoffe und »Öko«-Tourismus sowie um Naturschutzorganisationen, die zu transnationalen Unternehmen mutiert sind.


17/7
Die Verschwundenen
Roman von Jean-François Vilar
Aus dem Französischen von Barbara Heber-Schaerer und Andrea Stephani

Assoziation A 2008

Der Pressefotograf Victor Blainvilles wird entführt und drei Jahre lang festgehalten, ohne die Motive seiner Freiheitsberaubung zu erfahren. Im November 1989 wird er gemeinsam mit seinem Schicksalsgenossen Alex Katz in Paris unvermittelt auf freien Fuß gesetzt. Kurze Zeit später wird Alex von einem Lastwagen überfahren. Victor glaubt nicht an einen Unfall und versucht das Geheimnis der Entführung zu ergründen. Dabei stößt er auf das Tagebuch von Victors Vater Alfred Katz, das ihn in das Jahr 1938 zurückführt.

Alfred Katz ist Trotzkist, verkehrt in den Kreisen der künstlerischen Avantgarde und verliebt sich in Mila, das wunderschöne Modell des Surrealisten Man Ray. Er wird Zeuge der Ermordung von Dissidenten der kommunistischen Bewegung durch stalinistische Geheimagenten unmittelbar vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges.

Victor lernt im Laufe seiner Recherchen im Jahr des Mauerfalls die tschechische Journalistin Solveig kennen und verliebt sich in sie. Aber auch die Menschenjagd scheint von Neuem zu beginnen. Wie den verkleideten Bullen entkommen, den Frauen, die Doppelagentinnen sind, der Geschichte, die uns wieder verrät? Und vor allem, wer war Alfred Katz? Aus der Überlagerung der Zeiten und Liebesgeschichten entsteht die narrative Spannung dieses Romans, der seinen Höhepunkt in einer »surrealen« Liebesszene in dem kleinen Park St. Jacques erfährt.

Vilars Roman »Die Verschwunden« wurde im Jahr 2002 von Gilles Bourdos verfilmt.

»Sie mögen Paris, die Revolution, den Roman noir, Unverschämtheiten? Vier Gründe, die Romane von Vilar mit Spannung zu verfolgen« (La Quinzaine Littéraire).