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Jedes Jahr werden zur Frankfurter Buchmesse tonnenweise Papier bedruckt.
Wir wollen linken AutorInnen und Verlagen ein Forum für kritische Gedanken bieten |
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3 Deine Frau, die Schlampe
Roman aus der Zeit der RAF – von Lily Zográfou
Es liest der Übersetzer Ralf Dreis
Montag, 13. Oktober 2008 19.30 Uhr
DFG-VK, Mühlgasse 13, Frankfurt (Bockenheim)
VeranstalterInnen: Edition AV
Aus dem Griechischen von Ralf Dreis (Edition AV 2007)
Ein beeindruckendes Zeitzeugnis über Terrorhysterie, RAF-Fahndung und Sympathisanten-hatz in der BRD Ende der 70er Jahre aus Sicht einer linken Griechin.
„Hör dir das an, Liebste. Am Dienstag, den 24. Januar, rief mich Lenió aus Milátos ganz aufgeregt an um mir mitzuteilen – kannst du dir denken was? Dass der starke Wind einen Baum in meinem Garten entwurzelt hat. Der Wind? Welcher Wind, wunderte ich mich. Was ist der Wind, wo habe ich schon von ihm gehört? Bin ich nicht schon seit Jahren mit diesen Menschen hier drin eingeschlossen? Den Menschen des Romans, meine ich, der heute Nacht fertig wurde. Was? Wie der Wind hier eindringen und sie mir von meinem Schreibtisch wehen konnte, von dem ich mich nicht losreißen kann, so überanstrengt und verschreckt, dass der Faden reißt, wenn ich mich jetzt nach all den Jahren erhebe, in denen meine Helden und ich Banken und US-Stützpunkte in die Luft gejagt, die Bullen verarscht und uns gegenseitig ausgenutzt haben, für etwas Liebe, ein kleines bisschen Liebe und so viel Gerechtigkeit. Und das sagst du mir! Einzig das Bühnenbild wurde gewechselt. Prometheus ist vom Felsen in den Hochsicherheitstrakt gezogen. Welcher Wind, mein Gott, welcher Wind hat so heftig geweht und die Melodie vom Lied des Helden auf der letzten Seite gelöscht – schließlich war es unsere Erfindung, die von uns beiden – auf dass uns vielleicht die anderen hören, auf dass es vielleicht die Aufmerksamkeit der Menschen erregt, die nicht mehr in der Lage sind die ohrenbetäubende Stille der menschlichen Einsamkeit zu vernehmen. Und ich saß hier, bewunderte seine letzten großen Schritte mit den Handflächen auf dem orangefarbenen Ordner aus Pappe, der nun zuklappte und mich seiner Gesellschaft beraubte und auch der Freude mich um seine unheilbare Einsamkeit zu kümmern. Welcher Wind? Und was soll jetzt aus mir werden ohne den Irrglauben, die Ungerechtigkeit zu bekämpfen, die jetzt auf mich einstürmen und mich von allen Seiten durchbohren wird. Welcher Baum? Hat irgendwer jemals einen von euch informiert, dass ich hier bin, vertrieben aus dem Paradies der Gleichgültigkeit und der Unwissenheit? Dass ich all den unaufhörlich brausenden wilden Stürmen schutzlos ausgeliefert bin, die mich durchdringen? Was tue ich hier, Maíry, Liebste, mit Augen, die…“
(ein unvollendeter Brief)
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